Der erste Tag

Mein erster Tag als neuer Leiter Qualitätsmanagement. Voll freudiger Erwartung meldete ich mich um acht Uhr, wie mit dem Personalleiter abgesprochen, beim Pförtner. Ich stellte mich vor und erklärte wer ich bin. Der ältere Herr in der Pförtnerloge, seine Uniform wies ihn als Mitarbeiter eines privaten Wachdienstes aus, schaute mich erstaunt an und grummelte: „Hat mir keiner gesagt, das sie kommen.“ Damit wandte er sich ab und griff zum Telefon. Ich verstand aber noch „Glaub’ nicht, dass schon jemand da ist.“

 

Nach drei oder vier Telefonaten schien er immer noch keinen gefunden zu haben, der etwas über mich wusste. „Was wollen sie hier machen? Qualität?“ Fragte er. Und mit meiner Bestätigung nahm er seine telefonische Suche nach einem Ansprechpartner wieder auf. Dieses Mal mit mehr Erfolg. Er beugte sich vor und erklärte mir den Weg hinein in das Unternehmen.

 

Auf dem Firmengelände wurde ich von einem meiner zukünftigen Mitarbeiter in Empfang genommen. Er brachte mich in meinen neuen Bereich, und entschuldigte sich mehrfach, dass noch nicht alles fertig war.

 

Nach einem Gespräch mit meinen zukünftigen Gruppenleitern und einem Rundgang durch den Bereich Q, organisierte ich mir zunächst selbst einen Termin bei der Geschäftsführung, bei der Personalleitung und in der EDV. Dann richtete ich mich mit Hilfe meiner zukünftigen Kollegen in einem gerade frei geräumten Durchgangszimmer ein. Dort saß ich und machte mir meine Gedanken über Anspruch und Wirklichkeit.

 

Was wurden in den beiden Vorstellungsgesprächen, mit der Geschäftsführung und dem Personalwesen, nicht für grandiose Pläne gemacht. Von Aufbruch war die Rede, von Veränderungen, von Gemeinsamkeiten, von der guten Zusammenarbeit, von…

 

Dass man darüber mein Kommen, meine Begrüßung, mein Büro, meinen PC, sozusagen mich komplett vergessen hatte, machte mir deutlich, dass hier viel Arbeit auf mich warten würde.

 

 

 

Der erste Tag

     oder

…es ist doch alles ganz anders..

 

 

 

Dieses Beispiel macht deutlich, wie wichtig eine geplante und systematische Vorgehensweise ist. Das gilt übrigens nicht nur intern im Umgang mit den Menschen, sondern natürlich auch im Umgang mit anderen Dingen. Das es im Unternehmen erhebliche Termin – und Qualitätsprobleme gab, brauche ich fast nicht noch extra zu erwähnen. Wie konnte es denn dazu kommen, dass sich niemand für mich interessiert hatte.

 

Was war eigentlich das Problem im Unternehmen? Das der Vorstand, der mich eingestellt hatte, nicht mehr im Unternehmen war? Ja, sicherlich auch. Aber da bestand nicht das Problem. Der neue Vorstand war hell erfreut, als er erfuhr, dass ich ins Unternehmen eingetreten war. Er wollte schon einen Headhunter beauftragen, um einen Qualitätsleiter einzustellen. Wäre sicherlich auch interessant geworden, wenn er noch einen zweiten auf dieser Position eingestellt hätte. Was ohne weiteres hätte passieren können, da in solche Personalentscheidungen die Personalabteilung nicht immer eingebunden wurde.

 

Also wo war das Problem? Doch nicht in der Eigenwilligkeit des Vorstands. Nein. Schon eher in fehlenden systematischen Prozessen zur Personaleinführung.

 

Und natürlich im Willen, diesen Prozess zu leben und umzusetzen. Da kommt dann auch ein Vorstand nicht dran vorbei. Das immer wieder beschriebene Gleichnis vom Fisch, der am Kopf anfängt zu stinken, muss ich leider immer wieder strapazieren. Geht leider nicht anders. Denn darin steckt so viel Potential und so viel Wahrheit. Wie soll denn eine Organisation die Abläufe zur Personalbeschaffung und Personalauswahl leben, wenn durch den Vorstand ohne Information und Rücksprache Mitarbeiter eingestellt werden. Wichtig sind dokumentierende Prozesse. Dann spielt es nur noch eine eingeschränkte Rolle, ob einzelne Prozessketten, wie hier eine Führungskraft, ausfallen. Sinnvoll gestaltete Prozesse fangen so etwas auf. Egal, ob einzelne Personen noch im Unternehmen sind oder nicht. Der Prozess ist dagegen unempfindlich. Er läuft weiter. Es wird nichts vergessen, nichts bleibt liegen. Jede Lücke wird unweigerlich aufgedeckt. Vielleicht kommt es zu Verzögerungen. Aber nicht zum Zusammenbruch des gesamten Systems.

 

Dabei ist es unabhängig, um was für einen Prozess es sich handelt. Um die beschriebene Personaleinführung oder um die Anschaffung einer neuen Maschine. Gibt es dafür zum Beispiel Laufzettel oder Formulare, dann werden diese innerhalb eines Prozesses abgearbeitet. Ohne Rücksicht auf Personen. Prozesse und Formulare folgen immer Verantwortungen, Bereichen, Abteilungen. Niemals Personen! Oder man hat in der Definition und der Prozessgestaltung Fehler gemacht.

 

Es gilt immer wieder der Grundsatz: Erst denken, dann handeln.

 

Das sich hinter der Einführung neuer Mitarbeiter auch ein gewisser Respekt vor dem Menschen, dem Individuum verbirgt, brauche ich innerhalb eines menschlichen Unternehmens wohl nicht extra zu erwähnen.

 

Jahre später, bei einem erneuten Stellenwechsel, erlebte ich übrigens das genau andere Extrem. Wiederum am Morgen meines ersten Tages holte mich um 8:00 Uhr beim Empfang mein Pate ab. Er hatte mich schon eine Woche vorher angerufen und die ersten Schritte im Unternehmen mit mir durchgesprochen. Ja, es gab für JEDEN neuen Mitarbeiter einen PATEN. Einen Kollegen, immer aus einer anderen Abteilung, der die Einführung übernahm. Der einen kurzen Rundgang durch das Unternehmen übernahm. Kantine, Toiletten, Sozialräume. Der einen auf die Besonderheiten im Umgang aufmerksam machte. Der den Einarbeitungsplan überwachte. Der mit mir den Laufzettel zur Mitarbeitereinführung durchging. Kurz, der einem alles zum Überleben im Unternehmen erklärte. Er stand auch in den nächsten Wochen immer wieder zur Verfügung. Für alle Fragen.

 

Als er mich zu meinem Büro führte, war nicht nur ein Namensschild mit meinem Namen und Titel an der Tür. Am Schreibtisch gab es einen funktionierenden PC mit allem zugehörigen Equipment, ein Telefon und Handy, nebst Kurzbeschreibung der ersten Anmeldeinformationen, Visitenkarten und, und, und. Man war hier vorbereitet.

 

Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass diese kleinen Themen ein unglaublich gutes Gefühl bei mir hinterlassen hatte. Man hatte es geschafft eine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen. Und das damit, dass man sich mit diesen Themen beschäftigt hatte.

 

Ich höre schon den einen oder anderen Denken. Was für ein Aufwand alles so zu organisieren. Nein, denn alle diese Dinge müssen und werden sowieso organisiert. Mitarbeiter brauchen PCs, sie brauchen einen Telefonanschluss, brauchen ein Passwort. Genau so wie einen Schreibtisch und einen Stuhl. Alle die beschriebenen Themen kann man in Ruhe im Vorfeld organisieren. Oder ganz hektisch, mit viel Aufwand und viel Druck und in den einzelnen Abteilungen mit der dann notwendigen Unterbrechung von anderen wichtigen Themen. Das macht den Unterschied. Bestelle ich Tage oder Wochen vorher ein Notebook, oder vielleicht durch Sammlung zwei oder drei, wenn ich weis, dass ich am nächsten oder übernächsten Ersten drei neue Mitarbeiter mit Equipment versorgen muss. Kann ich die Bestellung Bündeln und die Einrichtung der PCs gleichzeitig durchführen, wenn gerade etwas Leerlauf ist. Oder mache ich das sofort auf Anforderung. Und bestelle den ersten PC um 9:00 Uhr und den zweiten um 13:00 Uhr, weil sich der zweite neue Mitarbeiter erst nach dem Mittag bei mir meldet. Da besteht Potential.